Die Mehmel-Orgel in der St. Marienkirche

Bereits 1411 wurde in den Kirchenrechnungen eine kleine und eine große Orgel unterschieden. Die unmittelbare Vorgängerorgel der heutigen Mehmel-Orgel wurde 1757 von Christian Welt aus Grimmen erbaut; sie besaß 24 klingende Register auf zwei Manualen und Pedal. Diese Orgel stand an der Südseite der Kirche auf einer Empore über dem alten Südausgang, der heute zugemauert ist, da sich dahinter die St. Annenkapelle befindet.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das Instrument nach mehreren Reparaturen so schadhaft, daß man sich zum Abbruch desselben entschloß und den Stralsunder Orgelbauer Mehmel mit einem Neubau beauftragte. Die neue Orgel wurde 1866 fertiggestellt und am 4. Adventssonntag eingeweiht. Die Abnahme erfolgte am 22. Januar 1867 durch den Königlichen Musikdirektor August Wagner, der für das neue Werk nur lobende Worte fand: „Der ganze Orgelbau ist […] als gelungen zu betrachten und macht das Werk dem Erbauer alle Ehre.“

Die Mehmel-Orgel in der Greifswalder St. Marienkirche stellt in der pommerschen Orgellandschaft ein bemerkenswertes Werk dar. Nicht zuletzt, weil es das größte erhaltene Instrument Mehmels ist, der die hiesige Orgellandschaft im 19. Jahrhundert auf nachhaltige Weise prägte. Er konnte aufgrund der damaligen Orgelsituation in vielen Kirchen charakteristische Orgelwerke bauen. Da seine großen Instrumente im 2. Weltkrieg vernichtet wurden, ist dieses Werk eines der wenigen größeren romantischen Instrumente, und das größte Mehmels, das im Nordosten Deutschlands erhalten blieb.

Die romantischen Klangfunktionsregeln, die im Werkaufbau und der Disposition zum Tragen kommen, finden sich recht selten in der hiesigen Region. Mehmel disponierte sehr farbig und legte großen Wert auf „zarte Stimmen“, trotzdem kam bei ihm der Wirkungsaspekt nicht zu kurz. Er ist darauf bedacht, besondere „Orgeleffecte“ zu ermöglichen, z.B. durch Einbau eines Schwellers. Das Instrument ist genau auf den Raum abgestimmt, so daß es beim Spiel mit nur wenigen Registern zu einem durchtragenden satten Raumklang kommt. Mehmel wollte, daß die Orgel auch bei voller Kirche von guter Wirkung sei. Er verstand es, raumorientiert zu disponieren und zu mensurieren. Besonders hervorzuheben ist die Art der Intonation, die sich durch eine gewisse Weichheit auszeichnet. Seine Intonation wurde von den Zeitgenossen hoch geschätzt und vielfältig gelobt.

Disposition

Hauptwerk
I
Oberwerk
II
Fernwerk
III, Schweller
Pedal
Bordun 16` Bordun 16` Geigenprincipal 8` Principal 16`
Principal 8` Principal 8` Salicional 8` Subbaß 16`
Gemshorn 8`
tiefe Oktave = Principal 8`
Rohrflöte 8` Flauto traverso 8` Gedackt 8`
kombiniert mit Principal 16`
Viola di Gamba 8` Octave 4` Geigenprincipal 4` Violon 16`
Gedackt 8` Rohrflöte 4`   Violon 8`
kombiniert mit Violon 16`
Hohlflöte 8`
tiefe Oktave = Gedackt 8`
Quinte 2 2/3`
(= Nasard 2 2/3`)
  Octavbaß 8`
Concertflöte 8`
späterer Einbau
Waldflöte 2`   Octavbaß 4`
kombiniert mit Octavbaß 8`
Octave 4` Progressio Harmonica 2-3f   Quinte 10 2/3`
Gemshorn 4` Oboe 8`
späterer Einbau
  Quinte 5 1/3`
kombiniert mit Quinte 10 2/3`
Quarte 2f
(= enge Rauschpfeife 2f)
    Posaune 16`
Mixtur 4-5f     Trompete 8`
kombiniert mit Posaune 16`
Cornett 4f
(f-f```)
     
Trompete 8`      
Koppeln:II/I, III/II, I/Ped
Spielhilfen: Ventile für Ped., Haupt-, Ober- und Fernwerk
Fortetritte für Ped. und Hauptwerk