Herzlich Willkommen! Interview mit unserer Wissenschaftlichen Mitarbeiterin in der Musikwissenschaft Dr. Franziska Kollinger

© Hubert Auer

Dr. Franziska Kollinger arbeitet seit April 2024 als Primary Researcher im deutsch-österreichischen Verbundprojekt PopPrints sowie seit dem Wintersemester 2024/25 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kirchenmusik und Musikwissenschaft der Universität Greifswald. Jüngst startete zudem das digitale Editionsprojekt Musical Theatre – A Critical Edition, das sie gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Nils Grosch (Salzburg) leitet.

 

Liebe Frau Kollinger, Sie waren in den letzten Jahren an der Forschungsstelle für musikalisches Theater der Universität Salzburg sowie als Vertretung der Professur für Musikwissenschaft an der Abteilung für Musik- und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg tätig. Was hat Sie bewegt, aus einem der bekannten Musikzentren Österreichs an die mit dem gesamten Ostseeraum verbundene Universität Greifswald zu wechseln? 

Wo das Zentrum ist, ist ja bekanntlich eine Frage der Perspektive… Nach insgesamt zehn Jahren an der Universität Salzburg wurde es für mich Zeit für einen Wechsel. Das internationale Verbundprojekt PopPrints bot sich dann an, um die Berge nun erstmal wieder gegen das Meer einzutauschen. Der Perspektivwechsel war insbesondere auch mit Blick auf den Forschungsschwerpunkt Ostseeraum eine willkommene Veränderung und ich bin gespannt, mir diesen Bezugsraum nun von Greifswald ausgehend zu erschließen, nicht zuletzt auch über so gewinnbringende Netzwerkarbeit wie das Ostseekolloquium innerhalb der Musikwissenschaften.

 

Das Verbundprojekt PopPrints ist ein spannendes Forschungsprojekt, das Salzburg und Greifswald verbindet. Ein besonderes Merkmal der Musikwissenschaft in Greifswald sind Projekte in internationalen Forschungsverbünden. Welche Chancen und Möglichkeiten eröffnen sich dadurch für unsere Studierenden? Und wie profitiert die Universität Greifswald davon?

Die Universität Greifswald ist zwar eine der ältesten Universitäten des Landes, jedoch aufgrund ihrer topographischen Lage und vergleichsweise geringen Größe oftmals nicht auf dem Radar der Kolleg:innen. Durch internationale Kooperationen und gemeinsame Forschungsprojekte kann sich diese Wahrnehmung ändern. Unsere Studierenden profitieren davon, dass wir überaus agil in der Vernetzung innerhalb der wissenschaftlichen Community sind und sein müssen. Die Losung des kosmopolitischen, die einer Hansestadt wie Greifswald gewissermaßen in die DNA eingeschrieben ist, wird an der Universität gelebt: Die hier forschenden und lehrenden Wissenschaftler.innen holen die Welt nach Greifswald und machen andersherum den Standort international sichtbar.

Die Vorteile einer vergleichsweise kleinen Universität liegen dabei auf der Hand: kurze Wege, persönliche Kontakte insbesondere auch zu Kolleg:innen anderer Disziplinen; mehr Luft für Forschung und für Projekte der musikalischen Vermittlungsarbeit sowie exzellente Bedingungen in der Lehre und für die Betreuung der Studierenden.

 

Welche Potentiale sehen Sie in einem Institut, an dem international und interdisziplinär geforscht und künstlerisch-praktisch gelehrt wird? 

Musikalische Kompetenz zeichnet sich für mich letztlich durch eine gelebte Offenheit im Umgang mit den musikalischen Gegenständen aus. Das Vermögen, differenziert und gleichzeitig umfassend über musikalische Phänomene sprechen zu können, wird in einem gleichermaßen praktisch wie theoretisch ausgedeuteten Arbeits- und Forschungsumfeld ermöglicht, und wird demgegenüber in klanganalytisch weniger geschulten Umfeldern oftmals vernachlässigt. 

Gleichzeitig ist die Integration wissenschaftstheoretischer Ansätze wesentlich, um Wirkungsweisen, Mechanismen – kurzum die Rolle von Musik in der Gesellschaft überhaupt reflektieren zu können. Insbesondere in einer Zeit, in der populistische und nationalistische Tendenzen erstarken, kann es sich Musik nicht leisten, diese Aspekte auszuklammern. Beide Perspektiven miteinander zu verzahnen und über Musik als vielschichtiges und dynamisches Phänomen nachzudenken ist – so sehe ich es zumindest – eine Notwendigkeit. Dabei spielt es keine Rolle um, welche Musik es sich konkret handelt. Eine bachsche Fuge eignet sich ebenso gut für eine konzise kulturgeschichtliche Erörterung wie ein Song von Billie Eilish.

 

Welche Zukunftsperspektiven sehen Sie?

Meine Forschungsschwerpunkte liegen u.a. im Bereich der audio-visuellen Klangforschung. Entsprechend bin ich neben einem fundierten historischen, kulturwissenschaftlichen und medientheoretischen Werkzeugkasten auch darauf angewiesen, Musik klingend wahrzunehmen, zu analysieren und auszudeuten, da ein Text (bisweilen ein Notentext) oftmals gar nicht existiert oder mich in meiner Arbeit nicht weiterbringt. Entsprechend stehen für mich beide Bereiche der Auseinandersetzung mit Musik – die theoretisch-wissenschaftliche ebenso wie die künstlerisch-praktische – gleichberechtigt nebeneinander und profitieren voneinander in ihrer gegenseitigen Wahrnehmung. 

Anschlussfähig ist das Greifswalder Institut meiner Meinung nach insbesondere mit Blick auf die erstarkenden Ansätze aus dem Bereich der Digital Humanities, was sich ja auch schon in einigen Forschungsprojekten am Institut niederschlägt. Durch die Verzahnung von künstlerisch-praktischen und wissenschaftstheoretischen Zugriffen ergibt sich außerdem ein gutes Fundament für die Beschäftigung mit performativen Aspekten von Musik und Klang. Ansätze aus Tanz- und Theaterwissenschaft und den Sound Studies aktiver in die Lehre einzubringen wird sicherlich eines meiner Anliegen in den nächsten Semestern sein, auch um das Potential des Instituts optimal zu nutzen und die Studierenden in der Ausbildung einer breiten musikalischen Kompetenz zu fördern.

 

Liebe Frau Kollinger, vielen Dank für das Interview und die besten Wünsche für das Forschen und Lehren an unserem Institut.

 


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